Kann ich nicht? Stört mich nicht.

Kann ich nicht? Stört mich nicht.

Perfektionismus und Selbstoptimierung gehören zu den Themen unserer Zeit. Ständig werden wir in sämtlichen Lebenslagen mit der direkten und indirekten Aufforderung konfrontiert, das Beste aus uns raus zu holen und überall möglichst zu glänzen. Im Idealfall haben wir einen tollen, gut bezahlten Job, sprechen mehr als zwei Fremdsprachen fließend, laden regelmäßig zum selbst gekochten Drei-Gänge-Menü in unsere immer saubere und aufgeräumte Wohnung ein, betreiben mehrmals die Woche exzessiv Sport (am besten vor der Arbeit!), damit wir bei allem, was wir tun auch noch gut (im Sinne des allgemein vorherrschenden Schönheitsideals) aussehen. Und selbstredend sind wir, wie könnte es anders sein, die besten Eltern des Planeten und bekommen alle Bereiche unseres Lebens perfekt unter den – natürlich – selbstentworfenen Hut.

Gerade als Elternteil bekommt man in Zeiten unzähliger digitaler Austauschmöglichkeiten tagein tagaus auf dem virtuellen Silbertablett präsentiert, wie toll andere Eltern ihre Kinder großziehen. Es gibt nur selbst gekochtes Bioessen, es wird jeden Tag bei jedem Wetter spazieren gegangen, es gibt nie niemals irgendetwas aus Plastik fürs Kind, in der Lunchbox finden sich Gurken und Brote in Schmetterlings- und Sternchenform, zum Schulfest wird der leckerste, bestaussehendste und trotzdem gesündeste Kuchen mitgebracht, die Laterne zum Laternenfest wurde schon im Sommer als abendliches Familienhighlight zusammen gebastelt und alle sehen dabei immer, immer! „gut „aus.

Natürlich ist das, was wir z.B. tagtäglich auf Instagram im Hochglanzformat präsentiert bekommen nur ein kleiner Ausschnitt der Lebenswirklichkeit. Aber selbst wenn es Familien gibt, auf die die oben überspitzt dargestellte Beschreibung zutrifft, wäre daran nichts zu kritisieren. Denn was ist schlecht an selbst gekochtem Essen und nett drapiertem Pausensnack in plastikfreien Brotdosen? Ganz genau: Nichts. Ebenso wenig wie an Sport und aufgeräumten Wohnung und dem Wunsch, etwas an sich zu verändern, an sich zu arbeiten, den eigenen Horizont zu erweitern.

Weniger gut hingegen ist es, sich selbst ständig unter Druck zu setzen bzw. setzen zu lassen. Sich ob der vermeintlichen Perfektion anderer schlecht und klein zu fühlen und plötzlich permanent das Gefühl zu haben, sich „optimieren“ zu müssen – nicht zu wollen. Im nervigsten Fall ist man auch noch neidisch auf die scheinbare Vollkommenheit aller anderen Menschen und macht sich dadurch das Leben unnötig schwer.

Ich habe für mich persönlich entschieden, genau das nicht zu wollen. Ich koche gerne frisch, ich lebe gerne in einer aufgeräumten Wohnung, ich versuche mehr und mehr Plastik zu vermeiden, aber ich bin nicht perfekt. Meine Spende für den Kuchenbasar wird niemals die Schönste sein und zum Ausstechen von Gemüse fehlt mir sowohl am Morgen als auch am Abend der Nerv. Denn ich habe genau gar kein Verlangen danach, meinem Kind Essen in Herzchenform zu servieren. Ich spreche keine drei Fremdsprachen fließend, der Hometrainer im Keller dient vor allem zum ungeliebten Wäscheaufhängen und die Laterne für mein Kind muss jemand anderes mit ihm basteln (der Papa hat das ganz hingebungsvoll übernommen). Und all das stört mich überhaupt nicht.

Ich lese immer wieder davon, dass das Muttersein eine Frau von Grund auf verändert. Das kann ich von mir nicht behaupten. Ich bin immer noch der Mensch, der Sand nicht mag, egal, wie gerne das eigene Kind darin buddelt, der Mensch, der morgens nicht kommunizieren möchte, egal wie redselig das eigene Kind ist, der Mensch, der immer noch nicht malen und basteln KANN, egal, wie oft das eigene Kind einen darum bittet, doch noch eine Villa Kunterbunt zu Papier zu bringen und der Mensch, der seinem Kind nie die schönsten Zöpfe flechten wird, weil ich einfach gänzlich unbegabt im Frisieren bin. Ich bin ich und die Tatsache – neben vielen anderen Dingen – auch Mutter zu sein, macht mich nicht besser und nicht perfekter als ich es vorher gewesen bin. Was ich allerdings tatsächlich durchs Muttersein geworden bin, ist entspannter. Und Entspannung ist etwas, das einen im Elternalltag wirklich weiterbringt – ganz egal, wie die Wohnung und das Kind mal wieder aussehen.

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